Dynamo Moskau
Samt- und Seide-Pokal und Berlin 1954


Überregionale Beachtung findet die Nachricht, das Dynamo Moskau vom 21. bis 24. Oktober 1954 als erste sowjetische Mannschaft nach dem Krieg am Samt- und Seide-Pokal teilnimmt.
 
Der Andrang ist groß, selbst beim Training sind die Parkplätze vor dem Stadion voll besetzt. Überregionale Zeitungen berichten, Rundfunk und Fernsehen übertragen von den Spielen.
 
Doch, wie kommt es dazu?! - Toni Kartak bahnt die Moskauer Gespräche an.
Vom 23. Mai bis 04. Juni 1953 findet die Basketball-Europameisterschaft der Herren ( heute Eurobasket ) in Moskau statt. Toni Kartak, spielerischer Betreuer und gleichzeitig Trainer der gemeinschaftlichen Basketball-Nationalmannschaft aus Ost und West und vom KEV, nimmt Kontakt auf, stößt aber auf mäßiges Interesse. Die Zeit ist noch nicht reif. Erst als der KEV knapp ein Jahr später der Sowjetunion schriftlich zum Sieg über Kanada ( mit 7:2 ) und den Gewinn des WM-Titels 1954 in Stockholm gratuliert und eine Einladung zu Spielen im Rheinland ausspricht, kommt postwendend folgende Antwort:
Wir danken herzlich für Ihre Einladung und freuen uns, mit einer unserer stärksten Mannschaften an Ihren traditionellen Spielen teilnehmen zu dürfen, und geben Ihnen für die Monate Oktober bis November eine feste Zusage. Wir würden uns ausserdem sehr freuen, schnellstmöglich auch eine deutsche Mannschaft in den Städten Moskau, Leningrad usw. begrüßen zu können und zwar im Februar 1955.
Aus der Zeitung ( vermutlich "Rheinische Post" ).
Es entstehen die ersten freundschaftlichen Gespräche. Ende August wird dann alles fest gemacht. Nicht nur, das es eine Zusage gibt, der KEV ist die erste Mannschaft, die nach dem Krieg zu Spielen nach Russland ( geplant Moskau, Leningrad und auf der Rückreise noch Prag und Pressburg ) eingeladen wird. Der DEV muß das Ganze noch absegnen. Die Bedingungen, die die russischen Vertreter stellen, werden als verhältnismässig und angemessen beschrieben.

Die Stärke der Russen ist bis dahin unbekannt, da international keine Spiele ausgetragen werden.

Auch Ina Bauer erhält eine Einladung zum Schaulaufen in Moskau.
 
Doch das sehen bei Weitem nicht alle so. Vor allem, weil die Spiele um den Pokal an den Gedenktagen der Kriegsgefangenen statt finden sollen. Dr. Ottmar Kohler verfasst einen offenen Brief, in dem er fordert, man solle lieber Kriegsgefangene und Verschleppte, Liste Verstorbener statt einer Sportmannschaft schicken. Der Bundestag beschäftigt sich mit dem Thema. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion beschließt, den nordrheinwestfälischen Innenminister Dr. Fanz Meyers aufzufordern, das Spiel zu verbieten - schreibt der Spiegel. Laut dem Sportverband ist Sport keine Politik und Verbindungen sollen gefördert werden. Das Turnier findet statt.
 
Willi Münstermann argumentiert : Je enger die Beziehungen zu Rußland werden, desto besser geht es auch unseren Leuten da drüben. Ausserdem habe Eishockey nichts mit Politik zu tun.
 
Als die Mannschaft von Dynamo Moskau am 16. Oktober mit dem Autobus in Krefeld ankommt, versammeln sich zahlereiche ehemalige Kriegsgefangene vor dem Hotel "Krefelder Hof" um zu protestieren. "Schickt uns unsere Kriegsgefangenen und nicht eure Eishockeystars" heißt es auf Transparenten. Proteste begleiten die Spiele der Russen in Dortmund und Krefeld. Der Heimkehrerbund ruft zu einem Schweigemarsch auf. Stärker politisch ambinionierte rufen zum Fackelmarsch auf, mit Aufstellung an den Seiteneingängen des Stadions. Es gibt Banner mit Hetzparolen, Flugblätter - Beifall als der Mannschaftsbus weg fährt. Zeitungen, lokal und überregional, hetzen. Nachdem sie keine Bestätigung bekommen, berichten sie zum Teil gar nicht mehr über den Samt- und Seide-Pokal.
 
Doch, all das schafft es nicht, das Turnier in freundschaftlicher Atmosphäre zu stören. Die Mannschaft wird herzlich in Krefeld empfangen. Litfaßsäulen und Schaufenster zieren die Ankündigungsplakate mit russischen Fahnen. Mannschaftliche Geschlossenheit, technische Reife und hervorragende Kondition - die Zuschauer sind begeistert. Doch nicht nur über das Können auf dem Eis. Auch menschlich stellt man fest, das es sich um Menschen wie Du und ich handelt.
Vor allem der sonst als unnahbar geltende Wsewolod Bobrow hat es den Menschen angetan. Spätestens als er in einer Trainingspause die damals noch kleine Ina Bauer auf den Arm nimmt, ist das Eis gebrochen. Die Fotografen sind so baff, sie vergessen glatt, abzudrücken.
 
-> Link Bilder vom Samt- und Seide-Pokal
 
Dynamo Moskau - Stadtauswahl Moskau / Moskauer Stadtauswahl
Fast die gesamte Moskauer Mannschaft besteht aus Nationalspielern und müßte eigentlich eher Moskauer Stadtauswahl wie Dynamo Moskau heissen. Man vermutet, das die Teilnahme am Pokal ein Testlauf für die kommende WM 1955 an den gleichen Spielorten sein soll. Die Mannschaft hat einen Altersdurchschnitt von 26 Jahren. 20 Aktive ( 16 WM-Spieler plus 4 Reserve Spieler ) sind in Krefeld zu Besuch. Die 16 Stammspieler sind von Beruf: 6x Soldat, 4x Metallarbeiter, 3x Schmied und 3x Mechaniker. 5 Offizielle begleiten die Mannschaftm plus Trainer, Hilfstrainer, Betreuer und Arzt.
 
Pokal-Splitter
- > Seit dem 25.09.1954 bereitet sich die Mannschaft intensiv in Berlin in der Seelenbinderhalle vor. Drei Tage vor dem Turnier trifft man mit dem Omnibus in Krefeld ein, übernachtet wird im Krefelder Hof.
-> Dynamo Moskau spielt in blau / blau und weiß.
-> Auf besonderen Wunsch von Wsewolod Bobrow wird ein Film der Fußballweltmeisterschaft angesehen. Fast sämtliche Spieler kommen aus dem Fußball, Bobrow ist auch als Stürmer bekannt.
-> Nebel und dampfendes Eis erzeugt eine prickelnde und packende Atmosphäre. Mit 15 Grad ist die Aussentemperatur zu hoch.
-> Zeitungsbericht "Berliner Zeitung" vom 21.10.1954
Die als "modernste Eissporthalle Europas" bezeichnete Rheinlandhalle weist wohl einige Mängel auf:
Mangelnde Lüftung begünstigt Nebel, enge Umkleidekabinen, ein Waschraum mit zwei Brausen für rund 16 Spieler, keine Roste und Holzpantinen, alte Obstkisten als Kleiderschränke, keine Teppiche zum Schutz der Kufen. Auf Bitten hin gibt es Bretter. Man muß jedoch zu Gute halten, das einiges noch im Bau ist. Vorbildlich ist das Restaurant an der Stirnseite der Eisfläche.
-> Gesang und gute Stimmung herrschen im Krefelder Hof, die Spieler werden häufig Zeitung und Illustrierte lesend in der Lobby angetroffen und können es sich nicht verkneifen, einen antisowjetischen Journalisten zu veräppeln.
-> Beim ersten Aufeinandertreffen in Köln tauschen Brobow und Brandenburg Wimpel, Bobrow überreicht unter Beifall einen Strauß roter Orchideen. Tags darauf in Düsseldorf überrreicht Eckstein weiße Orchideen, die später im Bus an die Füssener Kunsteisläuferin Helga Dudzinski überreicht werden.
-> Ausflüge gehen z.B. ins Bergische, mit dem Sessellift hoch zu Schloß Burg und abends ins Palladium in Düsseldorf, wo man allerdings nicht so viel versteht.
 
Empfang der russischen Gäste im Krefelder Hof.
Empfang der russischen Gäste im Krefelder Hof.
Links Willi Gather und rechts Wsewolod Bobrow.
Links Willi Gather und rechts Wsewolod Bobrow.

Links Korotkow, Pärsident der Sektion Eishockey der UdSSR und rechts Cuno Pursch.
Die Gäste aus Moskau vor Schloß Burg, abends geht es ins Palladium.
Die Gäste aus Moskau vor Schloß Burg, abends geht es ins Palladium.
 
Der Rückweg führt Dynamo Moskau erst über Bad Nauheim, dann nach Berlin.
Auch in Bad Nauheim gibt es Proteste und Versuche der Sabotage ( Überkleben von Ankündigungsplakaten ).
In Berlin glauben einige nicht daran, das die Spiele statt finden werden.
Gegner ist u.a. ein "alter Bekannter", der KEV. Die Spiele werden spontan vereinbart und entwickeln sich zum Publikumsmagneten, auf eine Eintrittskarte kommen fünf Interessenten. Der Rundfunk überträgt. Das Publikum ist restlos begeistert. Es gibt stürmischen Beifall. Nach dem Schlußpfiff des zweiten Spiels liegen sich die Spieler in den Armen und schenken sich gegenseitig die Schläger.
 
In Bad Nauheim
Di., 26.10.1954
Dynamo Moskau - verstärkter EC Bad Nauheim ( Spieler vom KEV, der DEG und einem Kanader ) 8:2
 
In Berlin, Werner-Seelenbinder-Halle
Sa., 30.10.1954 20 Uhr
Dynamo Moskau - verstärkter KEV ( mit Spielern von Preussen Krefeld ) 6:0
Mo., 01.11.1954
Dynamo Moskau - gesamtdeutsche Kombination
( verstärkter KEV - mit Spielern von Preussen Krefeld, Dynamo Weißwasser und Wismut Frankenhausen )
9:1
 
Girard im Zweikampf mit Babitsch. Girard im Zweikampf mit Babitsch.
Eckstein und Bobrow im Zweikampf. Eckstein und Bobrow im Zweikampf.
 
Die Mannschaft aus Krefeld ( zweites Spiel )
Torhüter: Jansen - KEV
Verteidiger: Guttowski, Bierschel, Girard - alle KEV
Stürmer: Jochems, Eckstein, Pescher - alle KEV
Kremershof, Koßmann/Kossmann - beide Preussen Krefeld
 
Während des Samt- und Seide-Pokals 1954 erhält der KEV eine Einladung, zwei Spiele in Moskau zu absolvieren, die gerne angenommen wird. Im Januar 1955 ist es soweit. Auch dieses Mal wieder viel diskutiert.
-> Link Reise Moskau 1955
 
Letzte Aktualisierung / Stand Juli 2022


- zurück -